Pläne

„Die Stadt sollte vor allem eins sein: autogerecht“, sagt Verkehrsexperte Rudolf Juchelka. Wie die Autostadt fahrradfreundlicher werden soll.

„Köln ist an seinem

Erfolg erstickt“




Jahrzehntelang war Köln eine reine Autostadt. Warum eigentlich? Wieso ist es so schwer, das zu ändern? Rudolf Juchelka ist Leiter des Lehrstuhls für Wirtschaftsgeografie an der Universität Duisburg-Essen. Er gilt als Experte für Stadtplanung und hat sich in seiner Forschung auch mit Köln beschäftigt. Wir haben ihn interviewt.

Köln gilt als ausgemachte Autostadt. Warum ist das so?
Nach dem zweiten Weltkrieg war die Kölner Innenstadt zu 90 Prozent zerstört. Beim Wiederaufbau war die Verkehrsplanung noch kein großes Thema. Aber dann kamen die Wirtschaftswunderjahre, und das Auto wurde ein Verkehrsmittel für die Masse. In den 1950er und 1960er Jahren sollte die Stadt vor allem eins sein: autogerecht.

Wie wurde das im Stadtbild deutlich?
Man baute große Ringstraßen um die Stadt, Unterführungen für Fußgänger, damit die Autos oberirdisch fahren konnten, Tunnel und Brücken auf verschiedenen Ebenen. Ein Beispiel dafür ist die Nord-Süd-Fahrt. Es wurden grüne Wellen für Autofahrer geschaltet. Auch die Fußgängerzonen sind ein Überbleibsel der autogerechten Stadt. Man wollte damit verhindern, dass der Fußgänger dem Autofahrer in die Quere kommt. Fahrräder spielten in dieser Vision keine Rolle, denn die Deutschen liebten ihre Autos.

Wann änderte sich das?
Die Städte sind an ihrer autofreundlichen Politik regelrecht erstickt. Es gab mehr Staus, auch die Umweltbelastung nahm zu. In den 1970er Jahren gab es dann mit den Grünen die erste Ökobewegung. Man versuchte, den ÖPNV auszubauen und Fahrradwege anzulegen. Parkstreifen wurden reduziert und Parkgebühren erhöht.

Wo geht der Trend heute hin?
Seit den 1990er Jahren rücken ökologisch vertretbare Verkehrsmittel wie Bus, Bahn und Fahrrad in den Mittelpunkt. Zurzeit liegt der Fokus auf Multimobilität. Es wird versucht, weder das eine zu verteufeln, noch das andere zu sehr zu fördern. Der Bürger soll die freie Wahl haben. Die Vernetzung der Verkehrsmittel ist das Gebot der Stunde. Dazu sind Konzepte wie Car-Sharing aufgekommen. Außerdem wird seit einigen Jahren der Radverkehr viel stärker gefördert. Die Städte haben mittlerweile Fahrradbeauftragte eingesetzt.

„Die Deutschen liebten ihre Autos“Rudolf Juchelka

Welche Städte sind besonders vorbildlich?
Ich war kürzlich in Wien. Dort ist das ÖPNV-Angebot europaweit eines der Besten. Eine Jahreskarte kostet 365 Euro. Das heißt, ich fahre pro Tag für einen Euro. So machen die Verkehrsbetriebe zwar Defizite, keine Frage. Aber die Politik sagt: Das ist es uns wert, wir wollen Lebensqualität für unsere Bewohner.

Würde ein solches System auch in Köln funktionieren?
Wenn von den Kölner Autofahrern jeder Zehnte auf den ÖPNV umsteigen würde, müsste die KVB ihre Kapazitäten verdoppeln. Das System würde kollabieren. Deswegen kommt es auf eine ganzheitliche Planung an. Die Stadt muss den Verkehr steuern. Und deshalb brauchen wir auch Fahrräder.


Köln wächst jedes Jahr. Vor allem in den Wintermonaten werden an vielen Stellen gesundheitlich bedenkliche Feinstaubgehalte in der Luft gemessen. Nach vielen erfolglosen Anläufen versucht die Stadtverwaltung jetzt, Köln mit einem neuen, verbindlichen Konzept fahrradfreundlicher zu machen. Was die Stadt plant, warum Kritiker skeptisch sind – und wo es in der Behörde knirscht.


Das Konzept: Vorfahrt auf der Fahrradspur

Im Jahr 2016 beschloss der Rat das „Radverkehrskonzept Innenstadt“ mit 166 Maßnahmen. Ziel ist es, den Anteil des Radverkehrs am gesamten Verkehrsaufkommen auf mindestens 25 Prozent zu steigern. 2015 lag er bei 15 Prozent. Um den Wünschen der Bevölkerung nachzukommen, hat die Stadt in der Entstehungsphase des Konzeptes drei Bürgerversammlungen und zwei Facharbeitskreise organisiert.
Ergebnis: In der Kölner Innenstadt soll ein zweiteiliges Fahrradnetz entstehen. Für schnelle Radler soll ein Netz auf eigenen Radwegen entstehen (siehe gelbe Linien), während für gemütlichere Radler die grün markierten Strecken nachgerüstet werden. Fahrräder und Autos sollen im sogenannten Mischverkehr fahren. Radfahrer sollen sich sicher fühlen – zum Beispiel durch ein Tempolimit von 30 km/h.

Sichtbare Verbesserungen soll es innerhalb der nächsten sechs Jahre geben. Insgesamt will die Stadt bis 2025 die Hälfte des Konzepts umgesetzt haben. Einige Vorhaben haben für die Stadt Priorität, darunter die sogenannten „Big Five“, also fünf relevante Achsen im Gesamtnetz.

Welche konkreten Baumaßnahmen sind in den nächsten Jahren in den verschiedenen Veedeln der Stadt geplant? Hinter jeder Markierung steht die Erklärung.


Die Kritiker: Reformen gehen nicht weit genug

In den vergangenen Jahrzehnten plante Köln Fahrräder nur dann mit ein, wenn neu gebaut wurde. Ein ganzheitliches Fahrradkonzept mit einem nahtlosen Radverkehrsnetz gab es bisher nicht. Fahrradstädte wie Kopenhagen, Amsterdam oder Münster begannen viel früher, den Verkehr in der Stadt fahrradtauglich zu organisieren.
In einer Umfrage des ADFC zur Fahrradsituation landete Köln im Jahr 2012 bei den Städten über 200.000 Einwohner auf Platz 31 von 38. Zwei Jahre später sogar auf Platz 36 von 39.
Mit dem neuen Konzept soll sich das jetzt ändern. Doch viele der Maßnahmen im Radverkehrskonzept Innenstadt bringen Kritikern zufolge nur geringfügige Verbesserungen: Einbahnstraßen werden für Fahrradfahrer geöffnet, im Nichts endende Radwege weitergemalt. Die Stadt hat sogar einen Namen für die eher kosmetischen Änderungen: der „Eimerplan“. Denn solche Maßnahmen lassen sich mit einem Eimer Farbe schnell umsetzen.

Christoph Schmidt, Vorstandsmitglied des Fahrradverbands ADFC Köln, findet zwar, das Konzept Innenstadt sei insgesamt ein Schritt in die richtige Richtung, allerdings gehe es nicht weit genug. „Wir brauchen ähnliche Konzepte auf gleichem Niveau für alle Stadtbezirke“, fordert Schmidt. Außerdem geht es ihm zu langsam voran. Um die Umweltziele aus dem Strategiepapier Köln Mobil 2025 zu erreichen, müsste der Fahrradverkehr den Autoverkehr massiv zurückdrängen. In diesem Papier hat die Stadt Köln im Jahr 2014 die Umweltverträglichkeit als Leitziel für die Kölner Mobilität festgelegt.
Ein weiterer Kritikpunkt: Die Stadt hat zwar ein Fahrradkonzept – aber das übergeordnete Mobilitätskonzept ist noch in Arbeit. Verkehrsexperte Rudolf Juchelka kritisiert diese Vorgehensweise: „Eine Stadt muss Mobilität ganzheitlich planen. Nur so kann es funktionieren.“

Christoph Schmidt hat im Video für uns ausgewählte Maßnahmen des Konzepts für uns mit null bis fünf Sternen bewertet.


Die Verwaltung: Wenig Rückenwind fürs Fahrrad

Anfang 2017 gründete die Stadt ein neues Verkehrsdezernat unter der Leitung von Andrea Blome. Diese kritisierte gleich bei ihrem Amtseintritt in einem Interview mit dem Kölner Stadt-Anzeiger die Schwächen der Kölner Verwaltung: Es gebe nicht genug Fachkräfte, Maßnahmen würden schleppend umgesetzt.
Jetzt soll es besser werden. Der Fahrradbeauftragte Jürgen Möllers sagt: „Es gibt erstmals ein Konzept extra für den Radverkehr, und das ist verbindlich.“ Zudem wurde und wird sein Team um mehrere Stellen aufgestockt.

Möllers ist allerdings nicht nur Fahrradbeauftragter, sondern gleichzeitig im Amt für Straßen und Verkehrstechnik Sachgebietsleiter für die Verkehrsplanung und Radverkehr. Er sagt: „Ich bin kein Fahrradplaner, kein Autoplaner, kein Fußgängerplaner, sondern ich bin Verkehrsplaner.“ Für Rudolf Juchelka, Professor für Verkehr und Logistik an der Uni Duisburg/Essen, ist das ein Problem: „Der Fahrradbeauftragte sollte ein Anwalt der Radfahrer sein“, findet er. Möllers dagegen ist für Juchelka so etwas wie ein Diener vieler Herren, müsse unterschiedliche Interessen unter einen Hut bekommen. Allerdings sei dies nicht sein Fehler. Denn letztlich ist die Verkehrsdezernentin für die Einteilung des Personals zuständig. Für eine Stellungnahme war sie nicht zu erreichen.

Kurz und knapp:
Bereits im Jahr 1978 hat die Stadt Köln den Radverkehr im „Gesamtkonzept Stadtentwicklung“ erstmals mit anderen Verkehrsmitteln gleichgestellt. Es folgten weitere Grundsatzbeschlüsse, die die Stellung des Fahrrads stärken sollten. Doch die Situation verbesserte sich nicht, so dass im Bürgerhaushalt 2009 Kölner ausdrücklich ein konkretes Radverkehrskonzept forderten. In einer Umfrage des ADFC zur Fahrradsituation landete Köln im Jahr 2012 bei den Städten über 200.000 Einwohner auf Platz 31 von 38. Zwei Jahre später sogar auf Platz 36 von 39. 2014 wurde das Strategiepapier „Köln Mobil 2025“ vorgestellt, das die Umweltverträglichkeit als Leitziel für die Kölner Mobilität festlegt.

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